Achtung, Weltraumschrott!

Zwei Männer klettern auf riesigen, abgestürzten Teilen russischer Raketen herum, die irgendwo in Altai heruntergekommen sind.
©
Jonas Bendiksen / Magnum Photos

Bei Weltraumschrott denkt man eigentlich zuerst an Schrott im Weltraum…

Aber: Holy Shit!
Wie viel davon „kontrolliert“ oder „unkontrolliert“ wieder hier auf der Erde landet, das ist echt nicht mehr witzig.

Als Weltraumschrott gelten praktisch alle menschengemachten Dinge – wie alte Satelliten, verlorengegangenes Werkzeug, abgestoßene Raketenstufen, etc -, die eine Zeit lang (oder ewig) im Erd-Orbit umher schwirren und für die man keine Verwendung mehr hat…

Außerdem ist es in den letzten 10-15 Jahren durch die Kommerzialisierung der Raumfahrt um etwa Faktor 10 billiger geworden Dinge in den Weltraum zu schießen.
Das bedeutet, dass die Schwelle noch geringer geworden ist, Weltraumschrott zu produzieren!

Weltraumschrott auf der Erde

Altai, Russland

Das Titel-Bild dieses Beitrags zeigt eine Szene aus Altai und ich dachte sogar erst, das sei gephotoshoped.
Altai liegt direkt unter der Hauptflugroute des ältesten, größten & belebtesten Weltraumbahnhofs der Welt: Baikonur (Russland).

Jeder Raketenstart bedeutet für die Menschen in dieser Region, dass riesige Trümmerteile auf sie herunterstürzen. Einige davon sind hochgiftig. Insgesamt seien schon mehr als 2.500 Tonnen Weltraumschrott auf dieses Gebiet niedergeregnet.

Korridor des Schreckens

All dieser Verkehr verursacht eine riesige Menge an Trümmern entlang des Korridors, in dem die Raketen fliegen. Um einen 6,3 Tonnen schweren Satelliten in eine geostationäre Umlaufbahn zu hieven, braucht es eine vierstufige russische Proton-Rakete mit einem Gewicht von fast 700 Tonnen. Während die Rakete in einer nordöstlichen Flugbahn davonzieht, schälen sich nach und nach drei Antriebsstufen vom Schiff ab und stürzen zurück auf die Erde.

nzz.ch

Einige Schrotthändler nutzen die Abstürze als Chance und entnehmen den Wracks nützliche Komponenten, Metalle, etc.
Die Bevölkerung fertigt sich beispielsweise landwirtschaftliches Werkzeug, Hühnerställe und Spielzeug für Kinder daraus.

Aber die teils schädlichen Dämpfe und giftigen Verbindungen der Raketenteile verseuchen Nahrung und Wasser und ziehen so gesundheitliche Folgen für die Bevölkerung nach sich.

Ein Mann spaziert durch sein Dorf. Auf der Wiese direkt neben ihm liegt ein riesiges Wrackteil einer Weltraum-Rakete.
© Jonas Bendiksen/Magnum Photos

Neues Kosmodrom Wostotschny

Das neu gebaute und gerade Anfang diesen Monats mit einer Schwerlast-Rakete eingeweihte Kosmodrom soll den Weltraumbahnhof Baikonur ersetzen.
Dann werden zumindest die Bewohner in der Altai-Region wieder ruhiger schlafen können.

→ raumfahrer.net

Point Nemo – Der „Raumschifffriedhof“

Zwischen Neuseeland und Südamerika liegt der abgeschiedenste Ort der Welt und gleichzeitig soll es der „biologisch inaktivste“ sein.

Das ist natürlich Grund genug diesen Ort mitten im Ozean als Raumschifffriedhof zu nutzen. Hauptsache man wird den ganzen Schrott los, mit dem man nichts mehr anfangen kann.
Aus den Augen, aus dem Sinn.

Im Weltall ist der Schrott zu gefährlich, deshalb wird er nach Möglichkeit „kontrolliert“ im Meer abgeladen.

Mehr als 250 Weltraum-Wracks liegen schon dort auf dem Meeresgrund. Und auch die ISS soll bis 2030 dort zum Absturz gebracht werden.
→ „Point Nemo: Hier soll die ISS in den Pazifik stürzen“ (t3n.de)

Es gibt keine Pläne sie zu bergen:
Ein weiteres „Geschenk“, das wir nachfolgenden Generationen hinterlassen.

„Unkontrollierte“ Entsorgung

Natürlich passieren aber auch regelmäßig Unfälle, Aussetzer, Fehlfunktionen oder Patzer die un-/beabsichtigt dazu führen, dass Weltraumschrott unkontrolliert irgendwo im Meer oder an Land entsorgt wird.

Laut golem.de gehört es wohl sogar zum normalen Vorgehen in der Europäischen Raumfahrt, dass Raketenstufen unkontrolliert entsorgt werden.
→ „Chinesische Raketenstufe ist ins Meer gestürzt“ (golem.de, 2021)

Deutlich größere Gefahr durch herabfallende Raketenteile

In Äquatornähe ist das Risiko von Raketenteilen getroffen zu werden mindestens 3x so wahrscheinlich als auf dem Breitengrad von New York.

„Die fallen dann häufig ins Meer, könnten aber auch bewohnte Gebiete oder Flugzeuge treffen und Menschen töten. Dieses Risiko galt bisher immer als vernachlässigbar, doch ein kanadisches Forschungsteam hat jetzt nachgerechnet und sagt: Das Risiko ist gar nicht so gering und besonders betroffen sind Regionen in Äquatornähe.

mdr.de

Um die Gefahren zu minimieren müsste mehr Geld ausgegeben werden

Aber was soll man sagen:

„Die Situation müsste aber gar nicht so sein, wie sie ist, bilanzieren die Forschenden. Sie argumentieren, dass Verbesserungen an der Technologie und dem Missionsdesign die meisten dieser unkontrollierten Wiedereintritte verhindern könnten. Die Raumfahrt-Staaten und die privaten Unternehmen zögerten aber, weil sie die damit verbundenen Kosten scheuten.

mdr.de

Weltraumschrott im Weltraum

Achtung, Weltraumschrott!
© ESA – Dies ist eine künstlerische Darstellung und entspricht nicht dem tatsächlichen Verhältnis der Satelliten/Weltraummüll zur Erde!

Insgesamt befinden sich über 36.000 Teile Weltraumschrott im Weltall, die größer sind als 10cm. Und nochmal mehr als 1 Milliarde Teile, die kleiner sind. (Stand Dezember 2023)

Einige Teile sind so groß wie Schulbusse.

Achtung, Weltraumschrott!
© Screenshot aus der Doku „Space Junk“ (Quelle: siehe unten)

Das ergibt mehr als 11.500 Tonnen Schrott, die die Erde für Jahrhunderte umkreisen und die Satelliten- und Weltraummissionen immer gefährlicher machen.
Auch wenn Abbildungen (wie oben) von Satelliten, die die Erde umkreisen, das Größenverhältnis sehr verzerrt darstellen, so sind die Teile nicht weniger gefährlich. Schon kleinste Schrott-Teile können aktive Satelliten komplett zerstören.

Das allgemein gefürchtete Horrorszenario, das wohl nur eine Frage der Zeit ist, nennt sich das Kessler-Syndrom, bei dem umherfliegende Trümmerteile aus Kollisionen immer und immer wieder weitere Kollisionen verursachen und die Lage somit unkontrollierbar machen.
Die Folge wären massenhafte Ausfälle von Satelliten und der driftende Müll könnte sogar die Raumfahrt gänzlich unmöglich machen.

→ „Zukunft Weltraumschrott – kommt der Satelliten-Blackout?“ BR Fernsehen (2021)
→ „ESA-Mission zur Entsorgung von Weltraumschrott“ (mdr.de)

Mittlerweile stellt der Müll also ein echtes Problem dar, so dass die Space Agencies der Welt sich langsam mal gezwungen sehen „aufzuräumen“ und z.B. alte umhertreibende Satelliten wieder einzufangen und kontrolliert zum Absturz zu bringen:
→ „Safeguarding space activities“ (esa.int)

Achtung, Weltraumschrott!
© Jonathan McDowell (CC-BY Lizenz)

Diese Grafik zeigt deutlich: Die Anzahl der Weltraumschrott-Teile in der Umlaufbahn ist weitaus größer als die Anzahl der aktiven Satelliten.

Aber erst für ab 2030 startende Weltraummissionen hat die ESA eine „Null-Trümmer-Charta“ ins Leben gerufen.
→ „ESA-Satellit aus den 90ern verglühte unkontrolliert in der Atmosphäre“ (derstandard.de)

Na, good luck!

Noch mehr Space-Dokus

Fazit

Und mal wieder spielt Geld eine große Rolle dabei, ob z.B. Schrott richtig entsorgt wird, Schutzmaßnahmen ergriffen werden, etc., oder ob alles einfach solange unter den Teppich gekehrt wird bis der Müllberg unter dem Teppich droht uns unter sich zu begraben.

Im Weltraum – wie auch überall sonst – handeln Menschen in Entscheidungspositionen mal wieder nach dem Motto „Move fast and break things“ ungeachtet der langfristigen Konsequenzen…

Das ist wahnsinnig dämlich und anti-sozial!

Sei anders, move slow and mend things. 😉

Auf der Rückseite eines Smartphones ist ein runder Sticker aufgeklebt, auf dem ein Faultier zu sehen ist und der Text "Move slow & Mend things" (37C3, cybersloth). Außerdem erkennt man auf dem Smartphone selbst einen Schriftzug: "Change is in your hands".
Sticker by The Binh

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